"Andreas Heyer: Wolfgang Harich in den Kämpfen seiner Zeit"
Der vorliegende Band beschäftigt sich mit dem Leben und Werk des streitbaren Marxisten und Philosophen Wolfgang Harich. Eng mit Georg Lukács, Ernst Bloch und Bertolt Brecht befreundet, war er einer der einflussreichsten Intellektuellen der DDR, bis Walter Ulbricht ihn 1956 verhaften und für zehn Jahre im Zuchthaus einsperren ließ. Nach seiner Freilassung wurde Harich erneut in die Kämpfe seiner Zeit hineingezogen und scheute sich nicht, seine Meinung gegen alle Widerstände immer wieder in die damals aktuellen Diskussionen einzubringen: zur Anarchie, Ökologie, Erkenntnistheorie, zu Lukács und Jean Paul – um seine wichtigsten Arbeitsfelder zu nennen.
Es ist dem Herausgeber Andreas Heyer zu danken, dass zahlreiche Wissenschaftler und Freunde Harichs aus Deutschland, Frankreich und Österreich die verschiedenen Facetten seines Wirkens und Denkens beleuchten. Dabei reicht die Bandbreite von den frühen journalistischen Anfängen Harichs bis hin zu dessen Kritik der Philosophie Friedrich Nietzsches und seinem Engagement für die Einheit Deutschlands.
Wolfgang Harich kommt ebenfalls ausführlich zu Wort, wobei die Schwerpunkte seines Schaffens in exemplarischer Auswahl abgebildet sind. Einige seiner Texte werden hier zum ersten Mal publiziert.
Andreas Heyer, Jahrgang 1974, promovierte mit einer Arbeit zu Denis Diderot. Er ist Autor weiterer Monographien und Aufsätze zum 18. Jahrhundert, zum Beispiel des Lehrbuchs Die französische Aufklärung um 1750. 2006 erschien zudem der Essay Die Utopie steht links, in dem er das Verhältnis von Utopie und Marxismus aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet.
Daneben arbeitet er zur Geschichte der DDR, wobei er besonders die philosophischen Debatten und Diskurse der späten 40er- und 50er-Jahre untersucht. Im Zuge seiner Studien zur DDR-Philosophie beschäftigte er sich auch mit dem Wirken Wolfgang Harichs, dessen Nachlass im Amsterdamer IISG er als erster Forscher wissenschaftlich erschloss. 2012 fasste er zusammen mit Anne Harich, der Witwe Wolfgang Harichs, den Plan, die zahlreichen Vorlesungen und Manuskripte, die bis zu diesem Zeitpunkt unbekannt waren, in einer großen »Nachlass-Ausgabe« der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. 2013 wurde dieses Projekt mit Harichs Arbeiten zur Philosophie Hegels eröffnet, weitere Bände folgten in rascher zeitlicher Abfolge. Nicht zuletzt aufgrund dieser editorischen Leistung gilt er als der beste Kenner des Denkens Harichs.
Wolfgang Harich, geboren am 9. Dezember 1923 in Königsberg, desertierte aus der Wehrmacht, erlebte das Ende des Krieges im Berliner Untergrund und beteiligte sich dann als Journalist und Universitätslehrer am Aufbau der DDR. 1956 wurde er wegen Bildung einer »konterrevolutionären Gruppe« verhaftet und zu zehn Jahren Zuchthaus verurteilt.
Nach seiner Freilassung blieb er in der DDR und arbeitete auf Honorarbasis für den Akademie-Verlag, vor allem an dessen Feuerbach-Ausgabe. Es erschienen seine wichtigsten Publikationen: 1971 die Kritik der revolutionären Ungeduld, 1974 Jean Pauls Revolutionsdichtung sowie 1975 Kommunismus ohne Wachstum? Das letzte Buch markiert eine weitere Zäsur in Harichs Leben – er wendete sich fortan vor allem ökologischen Fragen zu, die ihn noch nach dem Ende der DDR beschäftigten.
In den 80er-Jahren arbeitete er zudem zu Nicolai Hartmann und den Werken seines Freundes Georg Lukács. Nach der Wende rehabilitiert, wurde er Vorsitzender der Alternativen Enquetekommission, um seine Vorstellungen von der deutschen Einheit, für die er Zeit seines Lebens gekämpft hatte, zumindest teilweise zu verwirklichen. Am 15. März 1995 ist er in Berlin gestorben.