"Steffen Vogel: Europas Revolution von oben"
Sparpolitik und Demokratieabbau in der Eurokrise
Europa steht am Scheideweg. Im Süden entfaltet der von Brüssel und Berlin verordnete Sparzwang verheerende Wirkungen auf breite Gesellschaftsschichten. Dabei wird die Demokratie systematisch übergangen oder gleich ausgehöhlt. Europas Bevölkerungen verlieren dramatisch an Einfluss und büßen soziale Rechte ein. Obwohl diese Politik die Eurokrise weiter verschärft hat, soll sie auf europäischer Ebene verewigt werden.
Das Instrument hierzu ist mit dem Fiskalpakt auf Drängen der Bundesregierung und unter Umgehung des Europaparlaments längst geschaff en worden. Mit Spar- und Kürzungsprogrammen werden die Folgen der ökonomischen Turbulenzen auf die Bevölkerungen des Kontinents abgewälzt. In der schwersten Krise des Kapitalismus seit der Großen Depression erlebt Europa einen autoritären Schwenk. Diesen vorgeblich alternativlosen und unpolitischen Kurs beschreibt Steff en Vogel als Revolution von oben. Sie dient der Vorwärtsverteidigung jenes Status Quo, der in den vergangenen Jahrzehnten die oberen zehn Prozent immer reicher und mächtiger werden ließ. Die tonangebenden Krisenpolitiker handeln nach dem Motto, dass alles sich ändern muss, damit alles bleiben kann wie es ist.
Dabei radikalisieren sie den Neoliberalismus, dessen Rezepte maßgeblich zum Entstehen der Krise beigetragen haben. Aber der Umbau Europas ist weder abgeschlossen noch unangefochten. Der dominante Kurs hat geradewegs in die Rezession geführt, die soziale Spaltung verschärft und das politische System instabiler werden lassen. So könnte das Scheitern der Revolution von oben die Geburtsstunde eines »sozialen Europas« sein – oder gar jener »wahren Demokratie«, die in den Zeltstädten auf Europas Plätzen gefordert wird.
Steffen Vogel, geboren 1978 in Siegen, studierte Sozialwissenschaften in Bonn und Berlin. Von 2005 bis 2008 war er Redakteur der Wochenzeitung Der Freitag. Steffen Vogel lebt als freier Autor in Berlin und promoviert an der Humboldt-Universität.